August Macke
Frauen vor dem Sultan
1912
Tusche, Kohle und Bleistift auf Velin
12 x 20 cm
August Macke interessiert sich wie viele europäische Künstler seiner Zeit für die arabisch-islamische Kultur – der Orient wird zur Projektionsfläche seiner Vorstellungen vom Paradies. Ab 1912 treten orientalische Themen vermehrt in seiner Malerei und z.B. auch in seinen Entwürfen für Textilarbeiten auf. Wie unser Beispiel zeigt, ist Macke geneigt, Liebespaare, orientalisch anmutende Akte oder badende Mädchen als Sujet zu wählen. Die Komposition entführt den Betrachter in eine vergangene, phantastische Welt: drei Akte, der Sultan und eine Art Beobachter am unteren Rand sind umgeben von einem Gewebe aus Formen und Flächen. Die Perspektive und gegenständliche Begrenzungen sind aufgehoben, alles ist der Form untergeordnet, so daß nur vereinzelt visuelle Assoziationen zur Natur möglich sind. Und so muß die Auflösung des rätselhaften Tuns der Figuren offen bleiben. Vielmehr ziehen formale Aspekte den Betrachter in den Bann, denn verschiedene Einflüsse, die auf Macke bis 1912 einwirken, werden hier dokumentiert: die Errungenschaften des Kubismus, des Futurismus und nicht zuletzt des „Orphismus“ Robert Delaunays – dessen Person und Kunst Macke eine Offenbarung sind. Er verarbeitet sie auf eine synthetische Art, die am Ende zu einer eigenen Sprache und zurück zu seinem künstlerischen Credo führt: „Das Kunstwerk ist ein Gleichnis der Natur, kein Abbild“.
August Macke
Garten der Taubstummenanstalt (Paris)
1909
Kohle und Bleistift, gewischt, auf Velin (am linken Rand unregelmäßig gerissen)
18,2 x 14,9 cm
Wie sehr sich Macke auf seine scharfe Beobachtungsgabe verläßt, zeigt sich auch in der Zeichnung „Garten der Taubstummenanstalt“. Mit verschiedensten dynamischen Schraffuren, Strichlagen und Linien in Kohle und Bleistift, läßt Macke uns an einer idyllischen Szenerie teilhaben, die er selbst bei seinem Aufenthalt in Paris 1909 aus dem Fenster seiner Pension gesehen, und die Elisabeth in ihren Erinnerungen wie folgt festgehalten hat: „Unser Zimmer ging nach hinten hinaus mit Blick auf einen großen Garten, in dem immer eine Menge Leute arbeiteten, pflanzten, jäteten, harkten und gossen. Es fiel uns auf, daß alles so lautlos und still zuging, bis wir eines Tages erfuhren, daß es der Nutzgarten einer Taubstummenanstalt war“.
Es handelt sich bei Mackes Motiv um das Nationale Institut für Gehörlosigkeit bei Kindern in Paris, die erste Schule der Welt, die sich dem Unterricht junger gehörloser Menschen widmet (es befindet sich als solches noch heute in der Rue Saint-Jacques Nr. 254 im 5. Arrondissement).
Mit großer Leichtigkeit und Hingabe widmet Macke sich diesem Sujet. Sogar ein typisches Element der Macke’schen Zeichnung, eine männliche Rückenfigur mit Hut, findet sich in dieser gelungenen Komposition, die einmal mehr seine unbändige Schaffensfreude, die zeichnerische Virtuosität und das von ihm in den Bildern erstrebte harmonische Miteinander von Mensch und Natur zum Ausdruck bringt.
August Macke
Mädchen im Wald, verso: Mädchen am Brunnen
1914
Tuschfeder auf Velin (aus einem Skizzenbuch)
9,3 x 14,2 cm
Ein Sujet, dem sich Macke – wie auch andere Künstler seiner Generation – immer wieder widmet, sind Badende und Akte in der freien Natur. Die „Freude an den kraftvollen Formen eines jungen Körpers“ findet bereits früh Eingang in die künstlerische Entwicklung Mackes – so stammen die allerersten Aktskizzen aus seiner Gymnasialzeit. Und auch während seiner Ausbildung in Düsseldorf und später als Schüler von Lovis Corinth in Berlin hat Macke mit regem Interesse Aktkurse besucht. Dabei vervollkommnet er seine Fähigkeiten immer mehr und versteht es seine Modelle mit schnellem Strich in ihrer ganzen Anmut darzustellen. Auch unser Blatt „Mädchen im Wald“ ist ein Beweis dafür: Zwei stehende und zwei liegende weibliche Akte hält der Künstler zwischen Bäumen und Blattwerk fest. Das Augenmerk liegt weniger auf der Betonung individueller Züge als vielmehr in der Einheit von Mensch und Natur, die auch auf formaler Ebene betont wird. So findet sich auf den Akten die gleiche modellierende Straffur wieder, mit der Macke die sie umgebende Vegetation festhält.
August Macke
Schmetterlinge VIII (Plakatentwurf zur Ausstellung Bonner Künstler)
1911
Gouache und Tuschfeder auf gelbem Glanzpapier, mit collagiertem blauen Glanzpapier
24,2 x 14,1 cm
Überall findet Macke, der Zeichner, Schönes und Interessantes, vor allem in der Natur. Die sichtbare Welt ist für ihn in ihrer ganzen Vielfalt ein unerschöpfliches „Wörterbuch“, das zu erforschen er nicht müde wird. Wenngleich er seine Motive nicht selten eingehend vor dem Original studiert, geht es ihm in seinen Zeichnungen nur vordergründig um Naturbeobachtung. Er fängt das Gesehene ein, reduziert es auf die wesentliche Form und verleiht damit wie in unserem Beispiel zwei Schmetterlingen und einem Blumenarrangement eine wunderbare Note. Die ornamentale Wiedergabe und der harmonische Klang leuchtender Farbtöne in Blau und Rot stehen sinnbildlich für seinen Traum von einer vollendeten Einheit zwischen Mensch und Natur.
Unsere schöne Arbeit ist eine Besonderheit, nämlich eine von neun Collagen auf Glanzpapier. Diese sind Teil der insgesamt etwa 44 Plakatentwürfe, darunter farbige Zeichnungen und Studien in den Skizzenbüchern. Diese graphischen Entwürfe, die Macke u.a. "Schmetterlinge" nennt, sind für ein Plakatwettbewerb gedacht für die "Ausstellung Bonner Künstler" im Obernier-Museum in Bonn im Frühjahr 1911.
Das anfangs aus einer Privatstiftung hervorgegangene und 1905 eröffnete Museum Obernier ist damals ein Treffpunkt der Bonner Intellektuellen- und Künstlerszene und in der Zeit der einzige Ort für Ausstellungen zeitgenössischer Kunst in Bonn. Der Bonner Verleger Walter Cohen (1880–1942), der im Verwaltungsrat des Museums Obernier sitzt, schlägt Macke für diesen Plakatwettbewerb des Museums vor; letztlich werden seine sechs eingereichten Entwürfe aber nicht von der Jury angenommen und daher möchte der Künster auch nicht, daß diese ausgestellt werden (siehe Mackes Postkarte von 1911).